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    Newsletter 1/2015 - 21. Januar 2015

 
 
 
 

Newsletter 1/2015 - 21. Januar 2015

 
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  "100 Tage im Amt ..." - Fragen an Gaby Hagmans, Direktorin des Caritasverbandes Frankfurt e.V.


Gaby Hagmans ist seit gut 100 Tagen Caritasdirektorin in Frankfurt. (Foto: Studio Wiegel)

Frau Hagmans, Sie sind seit gut 100 Tagen Direktorin eines großen Orts-Caritasverbandes und damit Chefin von über 1.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Wie groß war der Schritt weg vom Bundesverband des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF), hin zur Caritas?

Der Schritt war groß, und wiederum gar nicht so groß. Die Verlegung meines Lebensmittelpunktes von Münster nach Frankfurt war und ist der größte Schritt. Ansonsten bin ich in den Bezügen der sozialen Arbeit geblieben und erkenne diese hier in Frankfurt auch wieder. Natürlich ist die Ortsebene eine andere Ebene als die Bundesebene, das ist spürbar.

Sie haben in ihrer beruflichen Laufbahn bereits Erfahrungen gesammelt, was die politische, spitzenverbandliche Arbeit angeht, einmal beim Bundesverband des BDKJ, einmal beim Bundesverband des SkF – inwieweit können Sie diese Erfahrungen beim Caritasverband Frankfurt einsetzen?

Es gibt eine sehr intensive Diskussion innerhalb der Caritas in Deutschland, in welcher Funktion die Caritas Spitzenverband ist und in welcher Dachverband. Mein Verständnis für den Caritasverband Frankfurt ist das eines Dachverbandes. Und hier erkenne ich viele Parallelen zu meinen bisherigen Funktionen, diese Erfahrungen nutzen mir in dieser neuen Aufgabe sehr. Letztendlich geht es bei all diesen Strukturen um Organisationen, die von Menschen gestaltet werden. Und Menschen neigen in Strukturen zu vergleichbaren Verhaltensweisen. Fühlen Gremienmitglieder sich zum Beispiel nicht ausreichend beteiligt oder in ihren Rechten beschnitten, dann wird das spürbar. Die Mitglieder wollen gestalten und beteiligt werden, sie wollen Teil der Identität und Kultur der Organisation sein. Das ist eine große Stärke dieser sozialen Organisationen und gleichzeitig eine Herausforderung, da die Erwartungen der Mitglieder sich durchaus unterscheiden können. Ich habe in den vergangenen Jahren gelernt, damit umzugehen und diese Prozesse gut zu gestalten.

Im Caritasverband Frankfurt steht jetzt neben der spitzenverbandlichen Arbeit in Frankfurt die ganz praktische, konkrete Arbeit im Fokus. Haben Sie sich leicht in diese „Blickwechsel“ einfinden können?

Da bin ich noch mitten drin. Die Arbeit hier in Frankfurt ist vielfältig und umfangreich. Mein Ziel ist es, die verschiedenen Arbeitsfelder, das Selbstverständnis der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch Besuche in den Diensten und Einrichtungen zu erfahren und kennenzulernen. Und gleichzeitig entwickle ich die Arbeit mit den Kolleginnen und Kollegen ständig weiter. Das ist richtig spannend. In den „Blickwechsel“ einfinden, das wird noch etwas dauern.

Kinder, Jugendliche, Frauen – Themen, die Ihnen aus Ihren vorherigen Stellen zur Genüge bekannt sind. Wie arbeiten Sie sich in die weiteren Arbeitsfelder der Caritas ein?

Ich besuche die Einrichtungen, arbeite teilweise selbst mit und rede viel mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und den Abteilungsleitungen. Leider komme ich wenig zum Lesen, dazu ist einfach zu wenig Zeit.

Haben Sie sich angesichts des großen Aufgabenspektrums und der Vielzahl der Einrichtungen und Dienste bereits einen guten Überblick über den Caritasverband verschaffen können?

Ich denke schon, dass ich einen guten Überblick habe. Die Rückmeldungen zeigen mir das, und auch die Tatsache, dass ich immer weniger erklärt bekommen muss.

Wenn man in einer Stelle neu anfängt, „stürzt“ Vieles auf einen ein. Gab es bislang „Überraschungen“, positiv wie negativ, mit denen Sie nicht gerechnet haben?

Nein, wirklich nicht. Ich habe ein paar Neuanfänge hinter mir und weiß, was da auf einen zukommt.

Sehr positiv angetan bin ich von der breiten und guten Unterstützung aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ich werde sehr herzlich aufgenommen und die Zusammenarbeit ist sehr gut.

Knapp 17 Jahre war Hartmut Fritz vor Ihnen Direktor – und hat in der Caritas auf Bundesebene und auch in der Frankfurter Politik und Öffentlichkeit Spuren hinterlassen. Ein schweres Erbe, könnte ich mir vorstellen.

Nein, für mich nicht. Ich bin so, wie ich bin, und weiß, was ich kann und wo meine Schwächen liegen. Ich stehe am Anfang meines Amtes und gebe mein Bestes für den Verband. Und: Ich bin anders als Herr Fritz, ich setze andere Schwerpunkte und präge das Amt der Caritasdirektorin durch meine Persönlichkeit. Die Veränderungen werden natürlich vom Umfeld stärker wahrgenommen. Auch Herr Fritz hat vor 17 Jahren angefangen und hatte damals noch nicht die Präsenz und die Verbindungen in die städtische Gesellschaft und Politik wie heute.

In den letzten 16 Jahren habe ich intensiv auf Bundesebene gearbeitet und habe aus dieser Zeit gute Verbindungen und vertrauensvolle Beziehungen sowohl in den Deutschen Caritasverband wie auch zu weiteren Organisationen auf Bundesebene und in die Politik. Ich hoffe, dass ich in die Aufgabe genauso gut reinwachse wie auch Herr Fritz reingewachsen ist.

„Kind, lern‘ etwas Anständiges“: Sie haben eine Banklehre gemacht – und sind dann in der Sozialbranche gelandet. Haben Sie diesen Wechsel jemals bereut? Und war diese Ausbildung für Ihren beruflichen Werdegang hilfreich?

Mein Weg über die Banklehre und ein Psychologiestudium bis zur Leitung von Sozialverbänden war so nicht von Anfang an geplant, im Nachhinein möchte ich aber keine Zeit davon missen. All das hat mich dahin gebracht, wo ich heute beruflich und persönlich stehe. Es war nicht immer einfach, aber auch das gehört dazu.

„Mehr Geld“ – das ist eine häufig gehörte Forderung in der Sozialen Arbeit. Wo sehen Sie für den Caritasverband Frankfurt Felder, in denen dringend mehr Geld vonnöten ist?

Mehr Geld an sich kann nie die Forderung sein. Es geht doch immer darum, soziale Notlagen und Unterstützungsbedarfe von Menschen zu erkennen und diese beheben zu helfen. Als Caritas sind wir aufgerufen zu helfen, soziale Dienstleistungen, die gebraucht werden, anzubieten, passgenaue Hilfen zu formulieren und tragfähige Konzepte zu entwickeln. Und natürlich kostet das auch Geld. Gerne würden wir mehr Wohnraum und Hilfen für Flüchtlinge anbieten wollen und auch die offene Jugendarbeit weiter ermöglichen, nur als zwei Beispiele.

Die Stadt Frankfurt hat als Zentrum einer riesigen Metropol-Region mit 5,3 Millionen Menschen und als Wirtschaftsfaktor in der Rhein-Main-Region große Bedeutung und Attraktivität. Was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen, und was sind die besonderen Herausforderungen für die Caritas-Arbeit?

Frankfurt ist eine unglaublich dynamische Stadt in Bezug auf die Bevölkerungsentwicklung. Menschen, die hier schon sehr lange leben mischen sich mit sehr vielen Menschen, die neu in die Stadt ziehen und teilweise auch nur ein paar Jahre bleiben. Eine enorme Herausforderung für die Stadtgesellschaft, ihre Prinzipien von Freiheit, Demokratie und Frieden immer wieder neu zu vergemeinschaften und den guten sozialen Konsens immer wieder neu zu finden. Bisher nehme ich wahr, dass das gut gelingt. Natürlich gibt es Unzufriedenheit, Brüche, Konflikte. Wir merken auch zum Beispiel im Bereich der Flüchtlingsberatung und der Hilfen für wohnungslose Menschen, dass mehr Menschen in die Einrichtungen kommen. Noch können wir das jedoch gut bewältigen.

Welche landes-, ggf. auch bundespolitischen Themen beschäftigen Sie derzeit besonders?

Ganz aktuell ist die Umsetzung des neuen Pflegestärkungsgesetzes ein Thema, das für viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von großer Bedeutung ist. Ein hochbrisantes Thema ist die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum in Frankfurt für Menschen mit geringem Einkommen und Bezieher von Leistungen nach SGB II. Und wir sind auch da direkt betroffen, denn der Fachkräftemangel wird noch verstärkt, wenn potenzielle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter keine Wohnung finden, weil der Markt leergefegt ist. Auch die Weiterentwicklung der erzieherischen Hilfen ist für mich ein wichtiges Thema.

Momentan bin ich aber vor allem bestürzt über die schrecklichen Ereignisse in Frankreich mit ihren Folgen. Auf keinen Fall dürfen wir Fremdenfeindlichkeit und Gewalt gegen Andersdenkende hinnehmen. Ich bin froh, dass am 26. Januar in Frankfurt das Römerbergbündnis zu einer Demonstration für Freiheit und Demokratie aufruft und wir so auch in Frankfurt ein deutliches Zeichen setzen können für Demokratie und Menschenrechte.

Und welche Herausforderungen sehen Sie aktuell und in naher Zukunft für den Caritasverband Frankfurt?

Es bleibt ständige Herausforderung, aktuell und passgenau Hilfen für die Menschen zu bieten, fachlich am Puls der Zeit zu sein und organisatorisch und strukturell diese Entwicklung zu begleiten.

Welche Schwerpunkte wollen Sie im kommenden Jahr 2015 setzen? Gibt es neue Themen und Akzente, die Sie platzieren wollen?

Mein Schwerpunkt für 2015 wird es sein, weiter viel Zeit und Energie in das vertiefte Kennenlernen unserer Arbeitsfelder und in die  Arbeit mit den direkten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu investieren. Loyalität und Vertrauen muss man sich auch verdienen, und die Menschen, die für den Caritasverband arbeiten, müssen in vielen konkreten Situationen erfahren, dass man mir und meinen Worten vertrauen kann. Das ist mir sehr wichtig.

Inhaltlich beschäftigen wir uns in diesem Jahr schwerpunktmäßig mit der Situation der älteren und pflegebedürftigen Menschen. Da ist es gut, dass mit dem Deutschen Seniorentag, der in Frankfurt stattfinden wird, das Thema besonders in den Blick der Öffentlichkeit kommt.

Die Schaffung neuer Betreuungsplätze im institutionellen Rahmen geht weiter. Frankfurt wächst, es ziehen Familien mit Kindern zu. Institutionell bewältigen wir diesen weiteren Ausbau gut, leider gewinnen wir nicht immer sofort die Fachkräfte für diese Arbeit. Wir müssen noch mehr Anstrengungen unternehmen, um uns als Arbeitgeber attraktiv zu halten, stärker in Ausbildung und Fortbildung investieren und mitwirken, die Rahmenbedingungen für die erzieherischen Berufe weiterzuentwickeln.

Sie wohnen jetzt mitten in Frankfurt, nicht so weit vom Caritasverband entfernt. Wie klappt es da mit dem Abschalten in Ihrer Freizeit?

Die Entfernung zum Büro ist hierzu nicht so entscheidend, ich kann auch von zu Hause aus auf meinen Computer im Büro zugreifen und mir so die Arbeit überall hinholen. Ich habe immer etwas Schwierigkeiten mit dem Wort „Abschalten“, für mich ist die Arbeit, ob für den BDKJ, den SkF oder den Caritasverband Frankfurt immer Ausdruck meines sozialen und politischen Engagements gewesen. Insofern schalte ich nie ab. Und gleichzeitig besteht das Leben noch aus so vielen Dingen mehr, und die sind mir auch sehr wichtig. Meistens schaffe ich es ganz gut, die Balance zwischen all dem zu halten.

Wenn man neu in einer Stelle beginnt, gibt es Unzähliges, was erst einmal erledigt werden muss, so Antrittsbesuche, Mitarbeitergespräche, sich in Themen und Vorgänge einarbeiten, Termine, die bereits vereinbart wurden – wie bewältigen Sie dieses Arbeitspensum, der Tag hat schließlich nur 24 Stunden, und etwas Freizeit sollte auch noch übrig bleiben.

Schritt für Schritt. All das braucht seine Zeit und die ist nun mal begrenzt. Ich habe da auch keine besseren Rezepte als andere in vergleichbaren Situationen. Ich versuche, gelassen zu bleiben und gleichzeitig die vorrangigen Angelegenheiten und Begegnungen zu bewältigen.

Sie stammen aus Nordrhein-Westfalen, vom Niederrhein, und haben dort Ihre beruflichen Stationen absolviert. Wie groß ist für Sie der „Kulturschock“ im hessischen Frankfurt?

Da muss ich etwas korrigieren. Ich bin am Niederrhein geboren und habe dort meine Banklehre gemacht. Zum Studium bin ich nach Münster gezogen und habe dort 25 Jahre gelebt und von da aus in Düsseldorf, Berlin und zuletzt in Dortmund gearbeitet. Daher gibt es keinen „Kulturschock“.

Angenommen, Sie hätten drei Wünsche frei: Was wünschen Sie sich für den Caritasverband Frankfurt?

Ich würde uns wünschen, dass wir weiterhin so kompetent und zugewandt für die Menschen da sein können, dass wir mehr private Stifter finden, die uns in unserer Arbeit unterstützen, und dass die Caritas in der Kirche von morgen ihre Kraft und ihre Solidaritätsstiftung stärkt.

Gibt es einen Leitspruch, der Ihre Arbeit prägt?

Es gibt nicht nur den einen Leitspruch. In meiner derzeitigen Situation ist es Matthäus 25,40 „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“. Dies ist für mich nicht nur Anspruch für die Caritas generell, sondern ebenso in meinem Führungshandeln.

Vielen Dank für das interessante Gespräch, Frau Hagmans!

Die Fragen stellte Petra M. Schubert.


 
 
   

Herausgeber:
Caritasverband für die Diözese Limburg e.V.
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Text und Redaktion:
Petra M. Schubert
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