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    Newsletter 27/2014 - 19. Dezember 2014

 
 
 
 

Newsletter 27/2014 - 19. Dezember 2014

 
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  „Herzlich Willkommen?!“: Fachtagung beleuchtete Willkommenskultur in Hessen

Integration darf nicht vom Aufenthaltsstatus abhängen, und öffentlich geförderte Integrationsmaßnahmen müssen auch Flüchtlingen zugänglich und offen sein. Das forderten Dr. Hejo Manderscheid, Direktor des Diözesancaritasverbandes Limburg, und Dr. Wolfgang Gern, Vorsitzender der Diakonie Hessen, bei der teils sehr kontroversen und lebhaften Podiumsdiskussion am Ende der zweitägigen Fachtagung „Herzlich Willkommen?! – Willkommenskultur in Hessen“ Anfang Dezember 2014 in Heppenheim. Diese, vom Hessischen Ministerium für Soziales und Integration (HMSI) gemeinsam mit der Caritas-Diakonie-Konferenz, den katholischen und evangelischen Kirchen in Hessen sowie der Akademie Haus am Maiberg in Heppenheim organisierte Veranstaltung fand bereits zum elften Mal statt.

Diözesancaritasdirektor Manderscheid ging darauf ein, was Willkommenskultur im christlichen, caritativen Verständnis heißt. „Der Fremde, der sich bei euch aufhält, soll euch wie ein Einheimischer gelten“, aus diesem biblischen Vers (Leviticus 19, 34) leite sich, so Manderscheid, der eigentliche Inhalt einer wertorientierten Willkommenskultur ab. „Diese muss so aufgebaut werden, dass diejenigen, die zu uns kommen, egal ob Flüchtlinge oder Migranten, dieselben Teilhabe-Chancen erhalten wie diejenigen, die bereits hier leben, und sich so Teilhabe-Gerechtigkeit realisiert“, erläuterte Manderscheid. Teilhabe-Gerechtigkeit, das heißt gleiches Recht auf Arbeit, auf ein Einkommen, auf Gesundheit und auf soziale Beziehungen. „Es muss also die volle Teilhabe-Gerechtigkeit sichergestellt werden, und das heißt: Der Staat muss dafür sorgen, dass diese Ansprüche gesetzlich garantiert werden, dass jeder, eben auch »der Fremde«,  die Rechte und die Transferleistungen erhält, die er benötigt, und dass der soziale Zusammenhalt funktioniert“, bekräftigt der Diözesancaritasdirektor. „Eine so verstandene Willkommenskultur ist gleichermaßen eine gemeinsame Herausforderung für ein gelingendes Zusammenwirken von  Staat, Kirchen und Bürgerengagement“, so Hejo Manderscheid.

Diakonie-Chef Gern fand in der Diskussion unter der Überschrift „Willkommen in Hessen: Strategien und Perspektiven“ deutliche Worte: „Die bisherige Politik des Landes Hessen verhindert seit vielen Jahren systematisch die Integration von Flüchtlingen.“ Dr. Walter Kindermann, Abteilungsleiter Integration im HMSI, musste am Ende der Diskussion einräumen, dass es an der Zeit ist, „Integration und Flüchtlinge miteinander zu versöhnen“ – eine Ankündigung, an deren tatsächlicher Umsetzung sich das Land Hessen aus Sicht von Caritas und Diakonie messen lassen muss.

„Angekommen im Einwanderungsland? Willkommenskultur in Deutschland“ war das Thema von Dr. Cornelia Schu, Geschäftsführerin des Sachverständigenrates deutscher Stiftungen für Integration und Migration. Schwerpunkt Schus war dabei die Arbeitsmarktintegration von Migranten und Flüchtlingen. Das Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz biete Chancen, so Schu, es gäbe aber auch Schwierigkeiten, wie die wechselseitige Anerkennung von Bildungs- und Berufsabschlüssen durch die Bundesländer. Schu betonte in ihrem Vortrag auch, dass Willkommenskultur neben rechtlichen Rahmenbedingungen weiche Faktoren wie eine bestimmte atmosphärische Haltung beinhalte, aber ebenso die Integration von denjenigen, die in Deutschland leben. „Vielfalt ist in Deutschland schon da, unsere Bevölkerung wird immer vielfältiger, denn es gibt immer mehr kleinere Gruppen, die aus immer mehr Herkunftsländern kommen“, so Schu.

Mit Blick auf die Frage der Integration in den Arbeitsmarkt sagte Klaus Rohletter, Vorstandsvorsitzender des Bauunternehmens Albert Weil AG: „Bei der gesamten Debatte um Integration und den Fachkräftemangel wird übersehen, dass auch andere Arbeitnehmer gebraucht werden.“ Seiner Ansicht nach müssten hier zur Bedarfsdeckung neue Wege gesucht werden. „Integration und Arbeitsintegration hat immer konkret mit Menschen zu tun“, so Rohletter.

Dass Integration und Willkommenskultur in Gesellschaft und Wirtschaft aber auch mit einer positiven Haltung und Offenheit in Behörden und Institutionen korrespondieren müssen, betonten die anwesenden Unternehmer. Viele Unternehmen würden gerne mehr Migranten und Flüchtlinge einstellen, wenn es nicht so viele bürokratische und rechtliche Hindernisse gäbe. „Migranten und Flüchtlinge sind eine Chance für die Deutschen, sich zu entwickeln“, so einer der Anwesenden.

Migranten und Flüchtlinge bringen zahlreiche Kompetenzen und Qualifikationen mit, diese müssten jedoch auch gefördert und genutzt werden, das zeigen verschiedene Studien, beispielsweise der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung). „Willkommenskultur ist nicht nur gesamtgesellschaftlich, sondern auch und gerade individuell“, betonte Martina Flaspöhler, die beim Caritasverband Nordhessen-Kassel e.V. Migranten berät und Mitglied im Hessischen Landesnetzwerk „Integration durch Qualifizierung“ (IQ) ist. „Ein Fachkräftesicherungsplan kann nicht funktionieren, ohne dass Geld in die Hand genommen wird“, bekräftigte Flaspöhler.

Das bedeutet, dass Mitarbeiter in Behörden und Institutionen auch interkulturell geschult sein müssten, schließlich gehe es sowohl um die neu Ankommenden als auch um diejenigen Menschen, die bereits in Deutschland leben.

In seinem Grußwort zu Beginn der Tagung hatte Horst Rühl, Vorsitzender der Caritas-Diakonie-Konferenz Hessen, bereits darauf hingewiesen, dass Willkommenskultur mehr ist als nur eine wirtschaftliche Frage: „Ökonomische Faktoren dürfen nicht die Voraussetzung sein für eine Willkommenskultur, die eine Haltung darstellt. Es bedarf einer intensiven Willkommensarbeit, die aus der Willkommenshaltung erwächst.“

Bei der Fachtagung in Heppenheim war zu Beginn Jo Dreiseitel, der Hessische Staatssekretär und Bevollmächtigter für Integration und Antidiskriminierung, in seinem Vortrag auf die integrationspolitischen Perspektiven für Hessen und die Entwicklungen auf Landesebene eingegangen. Der zweite Tag startete mit einem „Sozialethischen Weckruf“ von Prof. em. Dr. Heiner Ludwig (Institut für Theologie und Sozialethik an der Technischen Universität Darmstadt). Neben Fachvorträgen und Diskussionen am ersten Tag gab es auch verschiedene Workshops, an denen Experten aus der Wirtschaft, Verwaltung, Kirchen, Wohlfahrtsverbänden und Instituten mit den Teilnehmern diskutierten. Daneben stellten sich drei interessante Integrations-Projekte vor: das Mehrgenerationenhaus Bensheim (ein Ehrenamts- und Koordinierungsprojekt der Caritas Bensheim), das Projekt  „Integration braucht Partnerschaft“ des Ausländer- und Migrationsamtes Heppenheim sowie „Integration durch Bildung“ des Lernmobil e.V. Viernheim, das im Rathaus Heppenheim stattfindet.

Weitere Informationen: Merhawit Desta • Referentin Migration/Sozialrecht im Diözesancaritasverband Limburg • Telefon: 06431 997-179 • merhawit.desta@dicv-limburg.de

 
 
   

Herausgeber:
Caritasverband für die Diözese Limburg e.V.
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Text und Redaktion:
Petra M. Schubert
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