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    Newsletter 25/2014 - 15. Dezember 2014

 
 
 
 

Newsletter 25/2014 - 15. Dezember 2014

 
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  Aufnahme syrischer Flüchtlinge und Kirchenasyl: Arbeitstagung Migrationsdienste und Flüchtlingshilfe zu zwei brennenden Themen

Tagtäglich berichten die Medien über dramatische Flüchtlingssituationen, zeigen das Schicksal von Millionen Menschen, die auf der Flucht sind vor Krieg, Verfolgung und Hunger. Insbesondere die Situation von neun Millionen Syrern, die seit Ausbruch des Bürgerkrieges im Frühjahr 2011 auf der Flucht sind, und von denen mehr als 40 Prozent Vertriebene im eigenen Land sind, bewegt die Menschen, die Politiker, Kirche und Caritas in Deutschland. Grund genug für das Fachreferat Migration/Sozialrecht im Diözesancaritasverband Limburg, bei der diözesanübergreifenden „Arbeitstagung Migrationsdienste und Flüchtlingshilfe“ am 18. November 2014 in Wiesbaden dieses drängende Thema aufzugreifen und auf praktische Fragen und Hilfen für die tägliche Arbeit in den Beratungsstellen vor Ort einzugehen, die die 25 teilnehmenden Fachleute brennend interessierten.

Dirk Morlok von PRO ASYL griff in seinem Vortrag „Aufnahme syrischer Flüchtlinge in Deutschland“ die politische Entwicklung in Deutschland seit 2011 ebenso auf wie die aufenthaltsrechtliche Situation. Die Zahl der Asylanträge syrischer Flüchtlinge habe sich seit Bürgerkriegsausbruch mehr als verzehnfacht auf jetzt 28.661 im Jahr 2014. Drei Bundesprogramme mit einem Kontingent von insgesamt 20.000 Flüchtlingen aus Syrien wurden seit Ende Mai 2013 aufgelegt, um die Aufnahme und Aufnahmezahl der syrischen Flüchtlinge zu regeln; außerdem sehen alle Bundesländer, mit Ausnahme von Bayern, die Aufnahme von insgesamt 7.000 syrischen Flüchtlingen vor. Mit Blick auf die immense Flüchtlingsquote ist dies nach Ansicht Morloks „ein Tropfen auf den heißen Stein“. Syrien ist mit 6,5 Millionen Schutzsuchenden das Land mit den meisten Binnenflüchtlingen, mit Vertriebenen, die keine Staatsgrenze überschritten haben.

Das erste Bundes-Aufnahmeprogramm regelt lediglich die Einreise von 5.000 Flüchtlingen, die eine Aufenthaltserlaubnis für zwei Jahre erhalten; diese sind inzwischen alle angekommen. Das zweite Bundesprogramm vom Dezember 2013 sieht eine weitere Aufnahme von 5.000 Syrern vor, von denen ein Viertel überzählige Fälle aus dem ersten Programm waren; bei den verbleibenden knapp 3.800 Personen handelt es sich um Verwandte von in Deutschland lebenden Syrern. Problematisch hierbei ist, so Morlok: Auch dieses Kontingent reicht angesichts der hohen Flüchtlingszahlen nicht aus, denn dem Kontingent von 5.000 Personen stehen 80.000 Anträge von syrischen Flüchtlingen gegenüber. Zudem werden die Kosten für die Anreise der Verwandten nicht übernommen – eine Hürde, die viele aus eigener Kraft nicht überwinden können. Gleiches gelte für ein drittes Bundesprogramm ab Juli 2014, in dem zwar weitere 10.000 Syrer aufgenommen werden sollen, jedoch zusätzlich zu den bereits gemeldeten kaum neue Anträge mehr angenommen werden.

Insgesamt sei bei den Bundesprogrammen positiv, so der PRO-ASYL-Fachmann, dass der Familienbegriff erweitert wurde, sowie die Einbeziehung von Kurden und Palästinensern – denn neben syrischen Staatsangehörigen sind dort lebende „Ausländer“ ebenso auf der Flucht. Morlok skizzierte, dass auch die verschiedenen Länderprogramme teils wenig dazu beitragen, die missliche Situation der syrischen Bürgerkriegsflüchtlinge zu verbessern: Familiennachzug kann nur auf eigene Kosten erfolgen, die Kontingente sind gedeckelt, Anträge sind teils nicht mehr möglich. Und: Die Flüchtlinge müssen nachweisen, dass sie ihren Lebensunterhalt selbst decken können. Das ist für die in Deutschland lebenden Syrer, die ihre Verwandten nach Deutschland holen wollen, kaum zu leisten.

Erfreulich ist, dass Hessen über die Länderanordnung 365 syrische Flüchtlinge aufnimmt, und dass der Krankenversicherungsschutz über das Asylbewerberleistungsgesetz vom Land übernommen wird. Angesichts der Dauer des Krieges und ihrer Folgen ist es notwendig, dass sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene mehr Kontingente zur Aufnahme von Flüchtlingen geschaffen werden. Vor diesem Hintergrund wäre die Beteiligung Deutschlands am "Resettlement Programme" des UNHCR zur Neuansiedlung von Flüchtlingen sehr zu begrüßen, betonte Morlok, damit so schutzsuchenden Menschen  legale Möglichkeiten eröffnet werden.

Am Nachmittag referierte Dr. Ines Welge, Mitarbeiterin der Diakonie Hessen und zudem Mitglied im Hessischen Flüchtlingsrat, zur „Dublin-III-Verordnung und Kirchenasyl“. Diese Verordnung regelt, welches europäische Land für die Bearbeitung eines Asylantrages beziehungsweise Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist, den ein Flüchtling stellt. Dabei gilt zumeist, dass das Land zuständig ist, in das der Asylsuchende zuerst eingereist ist. Sofern die Prüfung ergibt, dass der Asylsuchende über ein europäisches Land eingereist ist, droht diesem die Rückführung dorthin. Welge erläuterte, dass gegen die angeordnete Abschiebung Klage erhoben oder ein Eilantrag beim zuständigen Verwaltungsgericht gestellt werden kann. Führt dies nicht zum Erfolg, so besteht  als Ultima Ratio die Möglichkeit, befristet Kirchenasyl zu gewähren. Dadurch verstreiche die Überstellungsfrist, sodass Deutschland für die Prüfung des Asylbegehrens zuständig wird, so Welge. Dabei gelte es jedoch, einige äußerst wichtige Punkte zu beachten: So müssten die Behörden immer über den aktuellen Aufenthaltsort informiert sein. Ansonsten, so Welge, drohe eine Verlängerung der so genannten Überstellungsfrist, der Rückaufnahme des Flüchtlings durch das ursprüngliche Einreiseland, von sechs auf 18 Monate. Welge gab bei der Arbeitstagung weitere wichtige praktische Tipps: So sollte die Gemeinde, die Kirchenasyl gewährt, umgehend per Fax das „Dublin-Referat“ des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge in Dortmund informieren ebenso wie die Außenstelle in Gießen, die den Bescheid erstellt hat, sowie weitere Behörden wie die Ausländerbehörde oder auch innerkirchliche Stellen.

Bei der Frage, ob Kirchenasyl in einer Gemeinde überhaupt möglich ist, sollte diese prüfen, ob sie entsprechende Räume mit Wasch- und Dusch- sowie Kochgelegenheiten hat. Es sollte aber auch die Finanzierung, die Sprachverständigung und die medizinische Versorgung sichergestellt werden, und es müsse beispielsweise geklärt werden, welche Kooperationspartner und sonstige Unterstützer es gibt. „Wenn Sie sich Kirchenasyl vorstellen können, dann greifen Sie möglichst vorher schon das Thema auf, suchen Sie Unterstützergruppen, holen Sie sich sicherheitshalber einen Beschluss des Kirchenvorstandes hierzu ein, und bei einer konkreten Anfrage empfiehlt es sich, einen Rechtsanwalt einzuschalten und Akteneinsicht zu nehmen“, erläuterte Ines Welge. Dass es beim Kirchenasyl allerhand zu beachten gibt und dies eine hochkomplexe juristische Thematik ist, zeigte Welge den Fachleuten zudem anhand der verschiedenen Gesetze, Verordnungen und Paragraphen, die zum Tragen kommen.

Weitere Informationen: Merhawit Desta • Referentin Migration/Sozialrecht • Telefon: 06431 997-179 • merhawit.desta@dicv-limburg.de

 
 
   

Herausgeber:
Caritasverband für die Diözese Limburg e.V.
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Text und Redaktion:
Petra M. Schubert
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